Odagsen

Dieser Beitrag stammt aus P.M. History 02/2025 und wird hier in Auszügen veröffentlicht:

Speisen und Gewürze im Mittelalter:

Nichts schmeckt fader als eine ungewürzte Mahlzeit! Das wissen schon die Menschen im Mittelalter. Deswegen wird dem Geschmack ein wenig auf die Sprünge geholfen. Aber womit? Brechen wir auf zu einer kulinarischen Reise in die Zeit der Ritter und Drachen.

Die Gesellschaftsschicht und die Gegend, in der man lebt, bestimmen, was auf den Tisch kommt, was man sich leisten kann, was verfügbar ist. Ein Grundnahrungsmittel quer durch alle Schichten ist der Getreidebrei. Brot wird im 13. Jahrhundert für die breite Masse erschwinglich, zuvor tischt man es in gehobenen Kreisen und Klöstern auf. Wild spielt außerhalb der Adelskreise keine große Rolle, denn die Jagd für jedermann wird zunehmend eingeschränkt. Ansonsten setzt man auf Hühner und Hausschweine. Nach der Großen Pest Mitte des 14. Jahrhunderts nimmt der Fleischkonsum zu. Weite Landstriche können nicht mehr bestellt werden. Viele Ackerflächen werden in Weideland für Vieh umgewandelt. Qualität ist zweitrangig. In höheren Kreisen werden aufwendige Gerichte mit viel Raffinesse serviert, um zu beeindrucken.

Demgegenüber steht der Hunger. Er ist in manchen Krisenjahren allgegenwärtig. Seuchen, Hochwasser, Dürren oder Kriege führen zu Missernten und lassen die Preise für Lebensmittelsteigen. Doch bis ins Spätmittelalter bessert sich die Lage dank des Fernhandels, der Verbindungen zum Orient im Zuge der Kreuzzüge und einer generell verbesserten Infrastruktur.

Gewürzt wird mit dem, was vorhanden ist. Die Tendenz der mittelalterlichen Geschmacksknospen geht zunächst in Richtung süßsauer. Wein, Essig und Verjus, ein säuerlicher Saft aus unreifen Trauben, sowie Honig werden zum Würzen verwendet. Beim Fisch, aber nicht nur da, wird auf die Haltbarkeit Wert gelegt. Gesalzene Heringe oder getrockneter Kabeljau werden beispielsweise Europaweit gern gegessen und gehandelt. Das sorgt unter anderem für den Reichtum der Hansestädte.

Salz ist mehr als ein Gewürz, es ist überlebenswichtig. Neben anderen Einsatzgebieten wie etwa beim Gerben wäre eine Konservierung von Lebensmitteln ohne Salz nicht möglich. Nicht von ungefähr wird Salz auch „weißes Gold“ genannt. So wertvoll ist es nämlich und macht Abbaugebiete und Verkäufer reich. Salzburg etwa, dieses kirchliche Fürstentum, verdankt seinen Reichtum und die daraus finanzierten Prunkbauten hauptsächlich dem Salz.

Was vor Ort vorrätig ist oder zumindest in europäischen Gefilden gedeiht, wird den Speisen als Gewürz zugesetzt: Fenchel, Anis, Kümmel, Petersilie, Salbei, Dill, Minze und Senf. Letzterer wird allerdings nicht nur gegessen, sondern auch äußerlich angewendet, weil er entzündungshemmend und schmerzstillend wirkt. Soll es deftiger und schärfer werden, greift man in der mittelalterlichen Küche auf Zwiebeln oder Meerrettich zurück. Wohlhabende Haushalte nutzen zusätzlich importierte Gewürze. Doch Pfeffer, Safran, Nelken, Zimt und Muskatnuss haben lange Transportwege hinter sich und sind teuer. Dementsprechend sparsam werden sie meistens eingesetzt.

Lange Zeit hält sich in der Forschung die These, dass Gewürze maßlos verwendet werden, um den Geschmack von verdorbenen Lebensmitteln zu überdecken. Diese Ansicht teilt die neuere Forschung nicht mehr. Fleisch und Fisch sind im Vergleich zu den exquisiten Gewürzen günstig. Es wäre wirtschaftlich betrachtet unlogisch, eine Kostbarkeit im Übermaß zu verwenden, um etwas, das jederzeit billig erworben werden kann, überhaupt genießbar zu machen. Die Vorratskammern gehobener mittelalterlicher Haushalte sind prall mit Gewürzen gefüllt. Das geht aus Inventarlisten hervor. Im Anwesen von Humphrey Stafford, dem Herzog von Buckingham, werden im frühen 15. Jahrhundert beispielsweise etwa zwei Pfund Gewürze pro Tag aufgebraucht. Auch diese Zahl bestätigt nicht die übertriebene Verwendung, sondern relativiert sich, wenn man bedenkt, dass in derartigen Haushalten und an Höfen tagtäglich Hunderte Menschen verköstigt werden.

Eine begehrte Kostbarkeit ist Pfeffer. Angaben, die auf Schätzungen beruhen, gehen von jährlich 1000 Tonnen importiertem Pfeffer im Spätmittel alter des westlichen Europas aus. Die Gesamtheit aller anderen eingeführten Gewürze beläuft sich auf dieselbe Menge. Wer sich im Mittelalter Pfeffer leisten kann, zählt zur obersten Riege der Gesellschaft. Pfeffer wird nicht nur wegen seiner Schärfe geschätzt, sondern schafft es auch, Lebensmittel lange haltbar zu machen. Pfeffer ist wie Bargeld und wird in Gold abgewogen. Die Händler verdienen gutes Geld mit ihrer Ware. Weil sie ihren Reichtum der Einfuhr von Pfeffer und anderen Gewürzen verdanken und diesen gern zur Schau stellen, werden sie schon im 13. Jahrhundert „Pfeffersäcke“ geschimpft. Bis heute ist diese Bezeichnung kein Kompliment.

in Pferd kostet genauso viel wie ein Pfund Safran, und das, ob wohl Safran sogar in Europa gedeiht und nicht aus Asien importiert werden muss. Schon die Römer bauen Safran im Mittelmeerraum an, und bereits in der Antike ist dieses Gewürz, das auch zum Färben von Stoffen verwendet wird, ein Luxusgut. Safran ist mitunter sogar teurer als Pfeffer und daher nicht vor Fälschungen gefeit.

Der Muskatnuss wird in großen Mengen ebenfalls eine berauschende Wirkung nachgesagt; geringe Mengen sollen Magen, Herz und Leber schützen. Wie Zimt und Gewürznelken wird sie von den Molukken, den Gewürzinseln, eingeführt. Von deren Existenz weiß man allerdings erst seit etwa 1500. Zuvor verdienen sich Gewürzhändler eine goldene Nase damit, via Landweg und Karawanen, über Umschlagplätze im arabischen Raum oder von dort aus mittels Schiff nach Venedig die Spezereien“ aus dem fernen Indien, für damalige Verhältnisse am Rande der Welt gelegen, in die europäischen Zentren zu befördern.

Den Übergang vom Mittelalter in die Neuzeit leiten die Entdeckungsfahrten a la Kolumbus und Vasco da Gama ein. Die waghalsigen Unternehmungen haben ein Ziel: dorthin zu gelangen, „wo der Pfefferwächst“. Der Seeweg nach Indien soll im Vergleich zum Landweg raschere Transportwege, einen erschwinglichen Einkaufspreis (mit reichlich Gewinn) und Macht sichern, das Monopol der Araber und Venedigs brechen. Die Welt vernetzt sich. Der Gewürzhandel sorgt für eine Globalisierung im ausgehenden 15. Jahrhundert.

Bleiben wir beim Süßen. Das natürliche Aroma von Obst wird im Mittelalter genauso geschätzt wie Honig. Honig ist aber teuer. Mittelalterliche Imker halten ihre Bienenvölker in Baumstämmen oder Weidekörben. Die Waben zu entnehmen, ohne die Bienen zu schädigen, gelingt kaum. Trotzdem lohnt es sich. Denn nicht nur der Honig ist begehrt, sondern auch das Wachs. Gegen Ende des Mittelalters setzt sich Zucker als Süßungsmittel durch. Schon zu Beginn des Mittelalters wird Rohrzuckeraus dem Nahen Osten beschafft, doch leisten kann sich den so gut wie keiner.

Sogar in Adelskreisen wird Zucker nur zu besonderen Anlässen kredenzt. Übrigens soll bei einem solchen Fest in Frankreich die Bezeichnung „Bonbon“ entstanden sein, weil Kinder begeistert „Bon! Bon!“ („Gut! Gut!“) gerufen hätten. Was es gab? Kandierte Früchte, überzogene Blüten oder Gewürzsamen, Marzipan (aus dem arabischen Raum), Konfekt, Fruchtgelee, gefülltes oder frittiertes Gebäck, puddingähnliche Cremes aus Eiern oder Waffeln.

Wer im Mittelalter Zucker kauft, muss in die Apotheke. Medikamente bestehen großteils aus Zucker, obwohl dieser teuer ist. So hält die Arznei länger, der bittere Geschmack wird übertüncht und Energie geliefert. Der Süße wegen verkaufen sich die Mittel gut. Also lassen manche Apotheker bald die heilenden Wirkstoffe weg und entdecken einen neuen lukrativen Geschäftszweig.

Die Rauke schmeckt - wie der Name verrät- nach Knoblauch mit einer Spur Pfeffer. Sie ist im Mittelalter das Gewürz der armen Leute. Es wuchert in den Gärten und wird den Speisen vielfach beigemischt. Die Weinraute wird in den Klöstern nicht nur als Küchengewürz, das zu so gut wie allem passt, sondern auch als kräftiger Grünton für die Buchmalerei geschätzt. Außerdem dient sie als Heilmittel bei Ohrenschmerzen und Schwindel, soll die Sehschärfe erhalten und - so sagt man es der Raute im Mittelalter nach - es lassen sich damit sogar Basilisken töten.

Viele der Kräuter gedeihen in den Klostergärten. Vom doppelten, manchmal sogar dreifachen Nutzen als Küchenkraut, Heilpflanze und Farbstoff wollen die Mönche und Nonnen profitieren. Sieht man sich die Rechnungsbücher des Augustinerchorherrenstifts Klosterneuburg oder des Benediktinerklosters Melk näher an, fällt auf, dass die Ausgaben für nicht im eigenen Garten vorrätige Gewürze steigen - und zwar in den Fastenzeiten im Advent und vor Ostern. Fallen die Gerichte auf den Tellern karg und fleischlos aus, sollen sie zumindest kräftig gewürzte Gaumenfreuden sein, scheint die Einstellung der Ordensleute zu sein.

Aber wie wird damals überhaupt gekocht? In Keramiktöpfen und Kesseln köcheln Breie, Eintöpfe und Suppen über offenem Feuer - obwohl die Angst vor den Flammen groß ist. Brände vernichten binnen Minuten ganze aus Holz erbaute Stadtviertel. Werden Brot oder Pasteten nicht beim Bäcker erworben, gönnt man sich einen teuren eigenen Ofen. Alles, was über eine gewöhnliche Küchenausstattung hinausgeht, ist Luxusobjekt — etwa Pfannen, Reiben, Siebe. Bratspieße gibt es in verschiedenen Variationen, um sämtliche Arten von Fleisch zubereiten zu können, ob Ferkel, Huhn, Vogel oder Ochse. Auch ein Mörser fehlt in keinem Haushalt, denn je feiner etwas gemahlen ist, desto besser soll es für den Körper sein.

Wasser aus Flüssen oder Brunnen ist oft nicht trinkbar. Entweder befinden sich Abfallgruben oder Latrinen in der der Nähe und verunreinigen das Wasser, oder der Müll wird kurzerhand sogar in den Fluten entsorgt. Deshalb ist es ratsamer, Bier oder Wein zu trinken. Und auch diese Getränke die einen geringeren Alkoholgehalt als heute aufweisen, müssen gewürzt werden. Pfeffer, Paradieskörner, Ingwer, Nelken, Muskatnuss und diverse Kräuter kommen hier ins Spiel - teils sind sie im 14. Jahrhundert sogar als fertige Gewürzmischungen zu kaufen.

„Geh dorthin, wo der Pfefferwächst!“ — also möglichst weit von mir fort. Besonders aufgeweckte Kinder haben „Pfeffer im Hintern“. „Salz wird in Wunden gestreut“ „Oder jemand mischt sich ständig ein, gibt also ungefragt „seinen Senf dazu“. Solche Sprüche gibt es zuhauf, und viele dieser Redewendungen entstehen bereits im Mittelalter und in der Neuzeit. Dass dabei häufig auf Gewürze zurückgegriffen wird, um sich auszudrücken, führt uns vor Augen, wie wichtig diese (damals) sind.

Sandra Klammer

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.