Odagsen

In Odagsen wurden die Reste von ca.120 Bestatteten gefunden. Die Zahl der Bestatteten ist damit höher als in allen anderen bekannten nichtmegalithischen Totenhütten.

Grundsätzlich wurden die Verstorbenen als vollständige Körper bestattet. Die Verstorbenen wurden in Ihrer Tracht und ausgerüstet mit Werkzeugen, Waffen und Nahrungsmitteln beigesetzt. Das deutet auf eine intensive Totenfürsorge durch die Angehörigen hin. Allerdings beschränkt sich diese Fürsorge hauptsächlich auf die Bestattungszeremonie.

Wie sonst ist die Tatsache zu erklären, das die Knochen einfach beiseitegeschoben, durcheinandergeworfen wurden und sogar Tiere Zugang zur Grabkammer hatten. 20 % der Knochen wiesen Fraßspuren auf. Nicht nur von kleinen Aasfressern ( Mäuse und Ratten ),  sondern auch von Dachsen, Füchsen, Hunden und Wölfen !!!

Die Toten von Odagsen wurden in Ihrer Tracht mit alltäglichen Gebrauchsgegenständen und besonderen Grabbeigaben bestattet. Von der Tracht der steinzeitlichen Bewohner Odagsens sind im wesentlichen Teile aus Knochen und Zahnmaterial erhalten. Die eigentliche Kleidung ist nicht überliefert. Während knöcherne Haken relativ selten gefunden wurden, kommen punktverzierte Knochenknebel häufiger vor.

Wohl überwiegend zur Tracht gehören die etwa 170 Tierzähne. Die meisten sind an der Wurzel angeschliffen und durchbohrt. Die meisten Zähne stammen von 38 Hunden unterschiedlichen Alters. Bei den anderen Zähnen finden sich  Eck- Reiss- und Schneidezähne von Wolf, Fuchs, Wildkatze, Dachs und Marder, sowie zwei Zähne eines Hausschweines. Die größte Überraschung sind der Mittelfußknochen eines Luchses und die Speiche eines Adlers !!!
Weitere Tiere sind mit anderen Skelettfragmenten vertreten. Speisebeigaben sind wohl Rind, Schwein, Schaf, Ziege und Birkhuhn, Wildtiere sind Rothirsch und Ur ( Auerochse ), Pelztiere sind Hermelin, Marder und Iltis. Weiter sind noch Frosch, Kröte, Drossel, Maulwurf, Feld- und Wetschermaus vertreten.

Gebrauchsgegenstände:
In erster Linie sind Knochen- und Flintsteingeräte erhalten, weiterhin wurden 250 Feuersteinartefakte gefunden. Zum Teil Werkzeugreste vom Bau der Kammer. Größeres Arbeitsgerät ( Beile etc. ) fehlt vollständig.

Waffen:
Pfeil und Bogenspielten bei der Jagd und im Krieg eine große Rolle. Reste davon wurden in großer Zahl in Odagsen gefunden. Zahlreich sind Flintsteinpfeilspitzen erhalten. Diese wurden als gebrauchsfähige Waffen neben dem Toten niedergelegt. Wahrscheinlich war auch der Bogen dabei, von dem natürlich nichts mehr erhalten ist. Vermutlich bestand er aus Eibenholz.

Keramik:

Besonders im Eingangsbereich wurden die Reste von 200 Gefäßen gefunden, Viele davon gehörten zu den echten Grabbeigaben und enthielten wohl Nahrungsmittel. Bis auf einen kleinen Becher war kein Gefäß unversehrt. Von keinem Gefäß war mehr als 10 - 30% der Wandung erhalten. weiter wurden die Reste von etwa 20 Tassen gefunden, dazu kommen 7 tönerne Trommeln. Ursprünglich dürften es mehr gewesen sein, es sind jedoch nicht viele erhalten. Weiter fand man noch unverzierte große Töpfe, Tassen und einige Näpfe

Altersdurchschnitt:

Soweit möglich, wurden Alter und Geschlecht der Verstorbenen bestimmt. Die Altersverteilung entspricht in etwa denen anderer vorindustrieller Bevölkerungen.

Die sog. Sterbekurve hat zwei “Gipfel”. Die erste liegt in der Altersgruppe 17-35 Jahre und hängt wahrscheinlich mit der erhöhten Sterblichkeit der Frauen im gebärfähigen Alter zusammen, entstanden durch eine erhöhte körperliche Belastung während der Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit hier verstärkt mit Hinweisen auf Fehlernährung. davon waren hier mehr Frauen als Männer betroffen, was auch auf unterschiedliche Ernährungsweisen hindeutet.

Der zweite “Gipfel” in der Altersgruppe 41 - 47 Jahren wird auf eine erhöhte Sterblichkeit von Männern zurückgeführt, bedingt durch erhöhtes “Unfallrisiko” während der Jagd z.B. oder durch Krankheiten.

Weiter fällt eine hohe Kindersterblichkeit auf bedingt durch die geringe Belastbarkeit des kindlichen Organismus in Hungerzeiten oder Krankheitsfällen.

Ansehnlich ist auch der Anteil der über 60 jährigen, obwohl die mittlere Lebenserwartung der Erwachsenen nur 38 - 43 Jahre, die der Kinder nur 8 Jahre betrug.

Körpergröße:

Die Körpergröße der jungsteinzeitlichen Bewohner von Odagsen lässt sich nur aus den Längenmaßen der Oberarm- und Oberschenkelknochen errechnen, da wie bereits geschrieben, keine vollständigen Skelette zur Verfügung standen. Danach waren die Männer durchschnittlich 166 cm und die Frauen 163 cm groß.

Körpergrößen sind abhängig vom durchschnittlichen Eiweissverzehr während der Wachstumszeit d.h. bei guter Versorgung nimmt die durchschnittl. Körpergröße ( = KG ) zu.

Im Vergleich der durchschnittlichen KG der Menschen von der Völkerwanderung bis heute liegt die damalige Bevölkerung im unteren Bereich.

Das deutet darauf hin, das der Ernährungszustand der Bauern von Odagsen nicht optimal war.

Krankheiten:

Der Gesundheitszustand lässt sich schwer deuten da nicht alle Krankheiten am Knochen sichtbar werden. Seuchen, wie sie aus dem Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert bekannt waren ( z.B. Pest ) und die durch die mangelnde Hygiene in den dicht besiedelten Städten entstanden oder zumindest gefördert bzw. verbreitet wurden, hat es in der Jungsteinzeit wahrscheinlich nicht gegeben.

Auch war das Immunsystem der damaligen Menschen sicher leistungsfähiger als heute. Jedoch haben Infektionskrankheiten und Tetanus auch die prähistorischen Menschen bedroht. Gut am Skelett zu erkennen sind Krankheiten und Verformungen der Wirbelsäule und der Gelenke, hervorgerufen durch hohe körperliche Belastung. In Odagsen zeigten 5% aller Wirbel und 2% aller großen Gelenke ( Becken, Knie, Schulter ) Verschleißerscheinungen ( Arthrose ) vorwiegend im unteren Bereich. Damit litten die Bewohner von Odagsen damals, deutlich weniger an solchen Krankheiten als wir heute, wobei man an die geringere Lebenserwartung denken sollte.

Kiefer- und Zahnerkrankungen hatten einen Anteil von 11% ( heute 60% ), allerdings denke man daran, dass die einzige Behandlungsmethode sich auf das Zahnziehen beschränkte. An den Knochen wurden vergleichsweise häufig Verletzungen und Knochenbrüche vor allem im Bereich der oberen Extremitäten  festgestellt, die allerdings nicht zum Tode der betreffenden Person geführt haben. Darunter auch eine Elle die zur Hälfte amputiert war. Die Wunde war gut verheilt. Da Verletzungen am offenen Knochen auch heute noch zu den heikelsten Verletzungen gehören, ist die eben erwähnte Amputation eine beachtliche medizinische Leistung. Allerdings wurde in Odagsen kein Hinweis auf Operationen am geöffneten Schädel, wie in anderen mitteldeutschen Kollektivgräbern gefunden.

Bei den Grabungen kam eine lang-rechteckige Grube von 16,3 m Länge und 3,6 m Breite zum Vorschein, die mit leicht nach innen abgeschrägten Wänden ca. 1,20 m tief im Boden war. Den Boden bedeckte ein dickes Kalksteinpflaster.

Solche Pflaster sind charakteristisch für vergleichbare Grabstätten. das Steinpflaster erstreckte sich über die gesamte Länge der Grabkammer und war ca. 2m breit. Die Grundfläche die für Bestattungen zur Verfügung stand, betrug etwa 30 qm. Leider war das Pflaster nur an wenigen Stellen vollständig erhalten. Das Kalksteinpflaster diente als Unterlage für die Bestattungen. Der mehrschichtige Aufbau ist sehr selten anzutreffen. Bei den Ausgrabungen wurden drei Schichten festgestellt. .

Rund um das Pflaster verlief ein muldenförmiger Graben, der vielleicht zur Ableitung von Regenwasser diente. Im Laufe der Zeit füllte sich der Graben, In diesem Graben haben an manchen Stellen Pfosten gestanden. Da Sie nicht regelmäßig nachgewiesen wurden, fällt eine Deutung schwer. Es wird vermutet, das Sie zu einem Stützgerüst zum Bau der Kammer gehörten.

An der Außenseite des Grabens wurden an mehreren stellen größere Steine in Schräglage angetroffen. Wo der Eingangsbereich lag blieb lange unklar: erst bei tieferen Grabungen taucht eine Eingangskonstruktion an der Schmalseite auf. Unklar ist ob der Eingang rampenartig war oder ob man durch eine verzimmerte Öffnung in die Kammer hinunterstieg. (Wir erinnern uns: ca. 1m unter der Oberfläche )

In einer tiefen Grube wurde ein Sandsteinblock von 1,5 x 0,55 x 0,65 m gefunden. Dieser Block ist aus rotem Sandstein und ist wahrscheinlich der Rest eines gewaltigen sog. “Menhirs” der den Eingang markierte.

Das Kalksteinpflaster diente als Unterlage für die Bestattungen. Durch die Verwendung von Muschelkalk bei den Bodenplatten, sind die Skelette der Bestatteten vorzüglich erhalten geblieben.

Der geschilderte Befund zeigt, dass das Grab über einen längeren Zeitraum belegt wurde. Die Toten wurden in mindestens Drei, durch flache Steinplattenlagen getrennte Schichten niedergelegt.

Der Bestattungsablauf kann wie folgt rekonstruiert werden:

Über der Grabsohle aus grobem Kalkstein wurde ein ebenes Pflaster aus feinem Kalkstein verlegt. Anschließend wurde ein Feuer auf den Platten entfacht, das den Kalkstein rot färbte. Das Feuer hat vermutlich spirituelle Gründe gehabt. Danach begann man mit den Bestattungen.

Über den ersten Bestattungen wurde später eine zweite Plattenschicht verlegt. Hier hat das Feuer auch hygienische Gründe gehabt. Später wurde dann eine dritte Kalksteinlage aufgebracht. Hier wurde kein Feuer auf den Steinen entfacht.

In allen drei Schichten fanden sich Knochen von Menschen, ein vollständiges Skelett konnte nicht gefunden werden. Insgesamt wurden die Knochen von über 120 Personen allen Alters in Odagsen gefunden.

Die Fundstelle der Totenhütte von Odagsen liegt südwestlich des Ortes auf dem höchsten Punkt einer breiten Lößkuppe. Die eigentliche Ausgrabungsgeschichte beginnt im Jahre 1979 als die Urgeschichtsforscherin U. Werben bei einer Feldbegehung von dem Bauern Wille aus Odagsen von einer Steinkonzentration auf seinem Acker hört. Nach zweijähriger Beobachtungszeit steht fest, das steinzeitliche Gräber im Boden liegen müssen.

Am 21.09.1981 beginnen die Grabungen. Schon nach den ersten Grabungen steht fest das eine langgestreckte Grabkammer für viele Verstorbene, also ein sog. Kollektivgrab im Boden liegt. Übrigens das erste dieser Art in der Bundesrepublik !

Die Grabungen dauerten von 1981 bis 1984 und geben Aufschluss über das Alter der Grabanlage, über Lebensweise und Bestattungsrituale der Bewohner sowie über das Aussehen der Umwelt vor mehr als 5000 Jahren.

Grabbau: Über die gesamte Länge der Grube wurde ein hölzernes Zeltdach errichtet, das anschließend mit einem Erdhügel überdeckt wurde.

Zuerst wurde die Grube mit Hilfe von Holzgeräten ausgehoben. Danach begannen die Zimmermannsarbeiten mit dem vorbereitetem Holz ( Stämme wurden geteilt und in jeweils 8 - 10 Teilstücke gespalten ) Der Holzverbrauch für die Kammer wird mit etwa 23 Eichen berechnet.

Die Zimmermannsarbeiten konnten in einem Zuge ausgeführt werden. Eine Konstruktion war auch ohne Wände mit einfachen Holzverbindungen sehr stabil. Zusätzliche Festigkeit erhielt das ganze durch eine Verfüllung der Grabgrube. Wahrscheinlich war über der Anlage ein Grabhügel, der wegen der jahrhundertelangen Beackerung vollständig eingeebnet ist.

Das Bodenpflaster kann erst nach dem Abschluss der Holzarbeiten verlegt worden sein.

Insgesamt dauerte der Bau sicher mehrere Wochen, auch für ein sog. "eingespieltes Team". Da die Kammer geraume Zeit belegt wurde, ist anzunehmen dass Sie solide gebaut war und auch sorgfältig instandgehalten wurde. Die Kammer blieb über Ihre gesamte Nutzungsdauer ( ein bis zwei Generationen ) zugänglich.

Für die Stabilität spricht auch, das durch die im Kammerinneren brennenden Feuer ( siehe Bestattungen ) nicht die gesamte Konstruktion zerstört haben. Zwar wurden die Kalksteine rotgefärbt ( ab ca. 700 Grad ), die dabei in Mitleidenschaft gezogenen Knochen waren meist nur angekohlt.

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